Laktat, ein Stoffwechselprodukt, das lange Zeit als „Abfall“ des Energiestoffwechsels betrachtet wurde, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Thema der Biologie und Sportwissenschaft entwickelt. Neue Erkenntnisse zeigen, dass Laktat weit mehr ist als ein Nebenprodukt intensiver körperlicher Anstrengung. Es fungiert als Energiequelle, Signalmolekül und Anpassungsfaktor, dessen Bedeutung weit über den Sport hinausgeht. 

Mythos „Abfallprodukt“: Der Paradigmenwechsel

Laktat wurde lange als Zeichen von Erschöpfung und als Ursache von Muskelkater missverstanden. Dieses Bild stammt aus frühen Studien, die Laktatbildung mit Sauerstoffmangel (anaeroben Bedingungen) in Verbindung brachten. Moderne Forschung hat jedoch gezeigt, dass Laktat auch unter vollständig aeroben Bedingungen produziert wird und eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel spielt.

Laktat ist nicht das Endprodukt eines ineffizienten Stoffwechsels, sondern ein zentrales Zwischenprodukt. Es entsteht bei der Glykolyse und kann entweder oxidiert werden, um Energie bereitzustellen, oder in der Leber zur Glukosebildung (Gluconeogenese) verwendet werden. Dieses Konzept, bekannt als „Laktatshuttle“, zeigt, dass Laktat als Energieüberträger zwischen verschiedenen Organen fungiert.

Laktatshuttle: Ein Netzwerk der Energieverteilung

Zell-Zell-Laktatshuttle

Laktat wird in „Treiberzellen“ wie schnell kontrahierenden Muskelfasern produziert und zu „Empfängerzellen“ wie Herz- und langsam kontrahierenden Muskelfasern transportiert. Diese Empfängerzellen nutzen das Stoffwechselzwischenprodukt als Brennstoff, insbesondere während intensiver Belastung, wenn der Glukoseverbrauch hoch ist.

Beispielsweise wird Laktat aus Muskelzellen in das Blut freigesetzt, von wo es das Herz oder das Gehirn erreicht. Studien zeigen, dass das Gehirn während intensiver körperlicher Betätigung bis zu 60% seiner Energie aus dem Salz der Milchsäure gewinnen kann.

Intrazellulärer Laktatshuttle

Innerhalb einer Zelle wird Laktat durch spezialisierte Transportproteine, sogenannte Monocarboxylat-Transporter (MCTs), in die Mitochondrien überführt, wo es oxidiert wird. Dieser Prozess verbessert die Effizienz der Energieproduktion.

Laktat als Signalmolekül

Laktat übernimmt nicht nur Funktionen in Verbindung mit der Energiebereitstellung, sondern wirkt auch als Signalmolekül, das zahlreiche physiologische Prozesse beeinflusst:

1. Epigenetik und Genexpression

Laktat kann die Genexpression durch sogenannte Histon-Laktylierung beeinflussen. Diese epigenetische Modifikation spielt eine Rolle bei der Regulierung von Entzündungsreaktionen und der Anpassung an wiederholte Belastungen, wie sie im Sport auftreten.

2. Hormonelle Regulation

Zusätzlich interagiert as mit dem Hydroxycarboxylat-Rezeptor 1 (HCAR-1), der die Freisetzung von Fettsäuren aus Fettzellen hemmt. Dieser Mechanismus unterstützt den Energiestoffwechsel während intensiver Belastung.

3. Redox-Regulation

Laktat beeinflusst das Verhältnis von NADH zu NAD+, was zentrale Stoffwechselwege wie die Glykolyse und die oxidative Phosphorylierung steuert. In Empfängerzellen, die Laktat oxidieren, erhöht es die Effizienz der Energieproduktion.

Praxis: Vom Training zur Leistung

Die Laktatschwelle

Die Laktatschwelle, oft als „anaerobe Schwelle“ bezeichnet, beschreibt den Punkt, an dem die Laktatproduktion die Laktatbeseitigung übersteigt. Dies führt zu einem kontinuierlichen Anstieg der Blutlaktatkonzentration und dient als wichtiger Indikator für die Leistungsfähigkeit im Ausdauersport.

Anpassungen durch Training

Regelmäßiges Ausdauertraining erhöht die Kapazität der Muskeln, Laktat zu oxidieren und zu transportieren. Dies verbessert die sogenannte metabolische Flexibilität, also die Fähigkeit, je nach Bedarf zwischen Kohlenhydraten und Fetten als Hauptenergiequelle zu wechseln.

Bedeutung für die Trainingssteuerung

Trainer und Sportwissenschaftler nutzen Laktatmessungen, um Trainingspläne zu optimieren. Die Bestimmung der individuellen Laktatschwellen hilft, die Intensität von Trainingseinheiten zu steuern und eine Überlastung zu vermeiden.

Fazit: Laktat als Schlüssel zu Leistung und Gesundheit

Laktat ist weit mehr als ein Abfallprodukt des Energiestoffwechsels. Es ist ein vielseitiges Molekül, das zentrale Rollen in Energieversorgung, Zellkommunikation und Anpassungsprozessen spielt. Seine Bedeutung erstreckt sich von der Leistungsoptimierung im Sport bis hin zu neuen therapeutischen Ansätzen in der Medizin.

Die Forschung in diesem Bereich der Physiologie steht noch am Anfang, aber die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass wir es mit einem biologischen Multitalent zu tun haben. Für Trainer, Sportwissenschaftler und Athleten bietet das Wissen über Laktat die Möglichkeit, Training und Regeneration auf eine neue Ebene zu heben.

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